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Post-Covid-19: June report from French-Italian border

Reported by Kesha Niya Kitchen

(English and French version below)

Es ist der 12. Juni 2020. Seit der Öffnung der italienischen
Staatsgrenze sind neun Tage vergangen und dennoch scheint sich, im Bezug
auf die Situation vor dem Ausbruch der Pandemie, nicht viel an der
Situation in Ventimiglia, der italienischen Grenzstadt an der Riviera,
geändert zu haben. In den Straßen herrscht ein reges Treiben, Cafés und
Bars sind geöffnet und auch die recht hohe Fluktuation am Bahnhof lässt
auf ein wiederbeleben des öffentlichen Lebens schließen. Auch in
Hinsicht auf gern übersehene Gegebenheiten änderte die Grenzöffnung
nichts. Migrant*innen und Asylsuchende befinden sich ohne Unterlass hier
vor Ort in höchst fragwürdigen Umständen. Denn diese von den meisten
lang ersehnte und Stück für Stück wiederkehrende Bewegungs- und
Reisefreiheit bezieht sich leider selbstverständlich nicht auf Menschen,
die nicht in die Kategorie Weiß einbezogen werden. Dies wird durch ein
systematisch durchgeführtes „racial profiling“ der Staatsgewalt
verdeutlicht und schließt im generellen jene aus, die sich in der
unglücklichen Lage befinden, mit den „falschen“ Dokumenten ausgerüstet
zu sein. Auf einem zweiten Blick lassen sich jedoch durchaus auch einige
Veränderungen feststellen, welche nicht zwangsläufig zu einer
Verbesserung der Lage beitragen.

Die Polizeipräsenz ist in Ventimiglia jeher unübersehbar und eklatant
hoch, bestechend durch ihre sich regelmäßig bewegenden Kontrollpunkten
auf den öffentlichen Verkehrswegen und allzeit anzutreffenden
Streifenwagen verschiedenster polizeilicher Einheiten. Diese wird
aktuell verstärkt durch sich zu Fuß agierenden Polizist*innen, in
Einheiten von ein bis drei Personen, die nicht nur zur Kontrolle der
derzeitig eingeführten Hygienevorschriften präsent sind, sondern
ebenfalls eine Atmosphäre der Allgegenwertigkeit der Staatsmacht
erzeugen.

Die Anzahl der auf der Straße anzutreffenden Migrant*innen und
Asylsuchenden ist bemerkenswert hoch, besonders im Verhältnis zu dem
Zeitraum bevor jeglicher Ausgangssperren gesehen, in welchen es uns
möglich war durchgängig an der französisch/italienischen Grenze aktiv zu
sein. Dies liegt vor allem an der Abschottung des Roten Kreuz Lagers „Campo
Roja“ in Ventimiglia zu Beginn der Ausgangssperre in Italien. Für die
ersten zwei Monate des log down war es allen Bewohnern untersagt das
abgesperrte, von der Polizei an den Ein- und Ausgängen überwachte Lager
zu verlassen. Seit Ende Mai ist der Ausgang wieder möglich, dennoch ist
auf Grund der Anordnung der zuständigen Präfektur, jegliche Neuaufnahme
untersagt. Die Diskrepanz zwischen der Anzahl der Lagerbewohner (zurzeit
115, maximale Kapazität bis zu 500) und der sich momentan in Ventimiglia
aufhaltenden obdachlosen Migrant*innen und Asylsuchenden (nach unseren
Schätzungen um die 200) war seit langem nicht so hoch.  Diese Zahlen
gleichen annähernd den Gegebenheiten der exakt vor fünf Jahren
beginnenden Periode der Grenzschließung und Kontrollen von Seiten des
französischen Staates.

Die Schließung des Lagers als solches bereitet Probleme in Hinsicht auf
Zugriff von Schlafmöglichkeiten, medizinischer Versorgung und
hygienischen Grundbedürfnissen, wie selbstverständlich auch Nahrung und
Wasser. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich die Situation in näherer
Zukunft um einiges verschärfen wird, besonders da die üblichen Routen
nicht nur wiederbelebt werden, sondern in den letzten Monaten sich
Tausende von Menschen in den extra errichteten Quarantänelagern
anstauten und im jetzigen Moment wieder in Bewegung geraten.
Seit der Ausgangssperren besteht ebenfalls nicht mehr die Möglichkeit
bei der örtlichen Caritas Anlaufstelle in Kontakt mit Medizinern zu
kommen und auch der Zugriff auf deren anderen Angebote wurden auf Grund
der Auflagen erschwert.

Von Seiten der französischen Polizei wurde in Hinsicht auf die täglichen
Verhaftungen, Abschiebungen und Rechtsverletzungen verschiedenster Art
gegenüber Migrant*innen und Asylsuchenden keine Pause eingelegt. Der
Durchschnitt der täglich stattfindenden Abschiebungen beläuft sich auf
ca. 40 Personen, während es sich zu Zeiten des log downs um fünf
handelte. Darunter befinden sich auch regelmäßig allein reisende
Minderjährige, Frauen und Familien. Auch Gewaltakte gegen Inhaftierte
Menschen, ausgehend von Polizist*innen des französischen Staates wurden
von Betroffenen bestätigt. Während es uns nicht möglich war wie üblich
täglich an der Staatengrenze präsent zu sein, konnten Mitarbeiter der
NGO „We World“ regelmäßig die Situation beobachten. Darauf beziehen sich
auch die soeben genannten Angaben.


Jedoch war es uns in den letzten Tagen möglich mehrmals Augenzeuge eines
Vorgangs zu werden, der üblicherweise eher zur Seltenheit gehörte.
Nämlich die Abschiebung von Menschen seitens der italienischen Polizei
nach Frankreich. Hier handelt es sich aber, wie am gestrigen Tage von
uns beobachtet, um einen noch nicht evaluierten Umstand.
In einer Kooperation von Guardia di Finanza, Polizia, zivilen Einheiten,
unter Führung des Vorgesetzten der örtlichen Polizei Ventimiglias,
wurden drei Personen innerhalb des Bahnhofs von Ventimiglia verhaftet,
mit einem Kleinbus der örtlichen Polizei zur Grenze gebracht und nach
Frankreich abgeschoben. Auch wurden wir Zeuge, wie die Polizei mit
diesem Bus eine Mutter mit drei Kleinkindern zur Grenze fuhr und
abschob. Dies sind nur zwei Beispiele von mehreren beobachteten Fällen
in den letzten Tagen. Zwar gibt es verschiedene Ansätze diese Vorgänge
zu erklären, da wir aber nicht sicher sein können um welchen es sich
handelt, können wir zum jetzigen Zeitpunkt keine genaueren Angaben
machen.

Wozu wir aber durchaus in der Lage sind, ist, dass wir die derzeitige
Situation als besonders problematisch und zugespitzt wahrnehmen und da
besonders durch die Sonderregelungen zu Zeiten von Covid-19 den
örtlichen Autoritäten, in diesem Fall dem Bürgermeister Ventimiglias,
eine erhöhte Macht zugesprochen wird, die ihm erlauben in kürzester Zeit
strikte Maßnahmen zu ergreifen, ist von einer Verschärfung der Lage
auszugehen.

It is June 12, 2020. Nine days have passed since the reopening of the
Italian border, yet the situation in Ventimiglia (an Italian border town
on the Riviera) does not seem to have changed a lot compared to before
the health crisis. There is a lot of activity in the streets, cafes and
bars are open, and the high fluctuation at the train station suggests a
revival of public life. The reopening of the border did not change
anything with regard to certain circumstances which are often
overlooked. At a second glance, however, some changes can be identified
which do not necessarily improve the situation. Migrants and asylum
seekers here on site still live in highly questionable circumstances.
Little by little the long awaited freedom of movement and travel is
restored; this does not, of course, refer to people who are not included
in a white category. This is illustrated by the systematic “racial
profiling” of the state authorities which generally excludes those who
are unfortunately equipped with the “wrong” documents.
The police presence in Ventimiglia has always been unmistakable, blatant
and noticeable due to its regularly moving checkpoints on public
transport routes and patrol cars from various police units that can be
found at all times. This is currently being reinforced by police
officers on foot, in units of one to three people, who are not only
present to check the currently introduced hygiene regulations, but also
illustrate the omnipresence of state power.

The number of migrants and asylum seekers to be found on the street is
remarkably high, especially in relation to the period before the
lockdown, in which we were able to be continuously active at the French
/ Italian border. This is mainly due to the complete quarantine of the
Campo Roja (Red Cross camp) around the beginning of the crisis in
Liguria, after a person was tested positive for the coronavirus. All
residents were then prohibited from leaving the sequestered camp,
monitored by the police at all points of entry. Since the end of May,
the to-and-from the camp has been permitted again, but due to order
given by the responsible prefecture, any new admission is prohibited
despite the 500 maximum capacity. The discrepancy between the number of
camp residents (currently 115) and the homeless migrants and refugees
currently in Ventimiglia (around 200 according to our estimation) has
not been as high since before the expulsion of the informal camp in
2018. These figures are very similar to ones that occurred five years
ago when the French state decided to close the border.
The closure of the camp as such creates problems with regard to access
to sleeping facilities, medical care and basic hygienic needs, as well
as food and water. Since the beginning of the lockdown, there hasn´t
even been a possibility of contacting medical professionals at the local
Caritas point, and access to their other services has also been made
more difficult due to the restrictions imposed due to the pandemic. It
can be assumed that the situation will worsen considerably in the near
future, especially since the usual routes have been more than revived –
thousands of new arrivals in Italy that have accumulated in quarantine
camps in recent months are now moving again.
In the past few days, it has been possible for us to provide food,
hygiene products and water several times at various places in
Ventimiglia, where migrants and asylum seekers can at least temporarily
step out of the focus of repression. Medicins du Monde (Doctors of the
World) also participated, hand out sleeping bags and provide basic
medical care.
While it was not possible for us to be present at the border for these
past three months, the NGO “We World” was able to observe the situation
regularly and share all these important informations: the French police
did not take a break from the daily arrests, pushbacks or other
violations of rights against migrants and asylum seekers. The average of
daily pushbacks was around 5 during the lockdown and is now around 40.
This regularly includes unaccompanied minors, women travelling alone,
and families. Acts of violence from the French police against detainees
have again been reported.
However, in the past few days we have witnessed on several occasions a
procedure that was before a rarity, the readmission of people towards
France by the Italian police. Yesterday, in a collaboration between
Guardia di Finanza, Polizia, and civil units led by the head of the
police in Ventimiglia, three people were arrested inside the Ventimiglia
train station, taken to the border in a police van and brought to
France. We also witnessed how the police used this bus to drive and send
to France a mother with three small children. These are just two
examples of several observed cases in the past few days. There are
different possibilities to explain this situation but we don’t know yet
which one is the most accurate so we cannot give any more precise
information at this time.
What we are in a position to say is that we perceive the current
situation as extremely problematic, even more than before; that the
local authorities (for example the mayor of Ventimiglia) are given
increased power, particularly through the special regulations at the
time of Covid-19. This circumstance allows him to take restrictive
measures in the shortest possible time, and the situation is expected to
worsen.

Nous sommes le 12 juin 2020. Neuf jours se sont écoulés depuis la
réouverture de la frontière italienne, mais la situation à Vintimille
(une ville frontalière italienne sur la Riviera) ne semble pas avoir
beaucoup changé par rapport à avant la crise sanitaire. Il y a beaucoup
d’activité dans les rues, les cafés et les bars sont ouverts, et les
fortes fluctuations de personnes à la gare suggèrent un renouveau de la
vie publique. Cependant, au second coup d’œil, certains changements
peuvent être identifiés qui n’améliorent pas la situation. Les migrants
et les demandeurs d’asile sur place vivent toujours dans des
circonstances très difficiles. Peu à peu, la liberté de mouvement et de
voyage tant attendue est restaurée; cela ne fait bien sûr pas référence
aux personnes qui ne sont pas incluses dans une catégorie blanche. Ceci
est illustré par le «profilage racial» systématique des autorités de
l’État qui exclut généralement ceux qui sont malheureusement équipés de
«mauvais» documents. La présence policière à Vintimille a toujours été
sans équivoque, flagrante et perceptible en raison de ses points de
contrôle se déplaçant régulièrement et des voitures de patrouille de
diverses unités de pouvant être trouvées à tout moment. Celui-ci est
actuellement renforcé par des policiers à pied, en unités d’une à trois
personnes, qui sont non seulement présents pour vérifier l’application
des règles d’hygiène actuellement en vigueur, mais illustrent également
l’omniprésence du pouvoir de l’Etat.

Le nombre de migrants et de demandeurs d’asile se trouvant dans la rue
est remarquablement élevé, notamment par rapport à la période précédant
le confinement, au cours de laquelle nous étions actifs quotidiennement
à la frontière franco-italienne. Cela est principalement dû à la mise en
quarantaine complète du Campo Roja (camp de la Croix-Rouge) vers le
début de la crise en Ligurie, après qu’une personne a été testée
positive au coronavirus. Tous les résidents ont alors été interdits de
quitter le camp, les points d’entrée et de sortie étant gardés en
permanence par les forces de l’ordre. Depuis la fin du mois de mai, les
entrées et sorties sont à nouveau autorisées, mais en raison du l’ordre
donné par la préfecture responsable du camp, toute nouvelle admission
est interdite malgré la capacité maximale d’hébergement de 500
personnes. L’écart entre le nombre de résidents du camp (actuellement
115) et les migrants et demandeurs d’asile sans abri actuellement à
Vintimille (environ 200 selon notre estimation) n’a pas été aussi élevé
depuis la période précédent l’expulsion du camp informel en 2018. Ces
chiffres sont très proches de ceux d’il y a cinq ans lorsque l’Etat
français a décidé de fermer la frontière.

La fermeture du camp en tant que tel crée des problèmes d’accès à
l’hébergement, aux soins médicaux et à l’hygiène de base, ainsi qu’à la
nourriture et à l’eau. Depuis le début de la fermeture, il n’a été
possible pour personne d’entrer en contact avec des professionnels de
santé normalement présents à Caritas, et l’accès à leurs autres services
a également été très difficile en raison des restrictions imposées par
la pandémie. On peut supposer que la situation va s’aggraver
considérablement dans les prochaines semaines e les prochains mois,
d’autant plus que les routes migratoires ont été plus que rétablies –
des milliers de nouveaux arrivants en Italie qui se sont accumulés dans
les camps de quarantaine ces derniers mois se déplacent à nouveau. Il en
est de même dans l’est de l’Europe.
Ces derniers jours, il nous a été possible de fournir à plusieurs
reprises de la nourriture, des masques, des produits d’hygiène et de
l’eau à divers endroits de Vintimille. Médecins du Monde a également
participé, distribué des sacs de couchage et dispensé des soins médicaux
de base.

S’il n’a pas été possible pour nous d’être présents à la frontière ces
trois derniers mois, l’ONG “We World” a pu observer la situation
régulièrement et partager toutes ces informations importantes: la police
française n’a pas pris de pause dans le quotidien arrestations,
refoulements ou autres violations des droits des migrants et des
demandeurs d’asile. La moyenne des refoulements quotidiens était
d’environ 5 pendant le confinement et se situe désormais autour de 40.
Cela inclut régulièrement des mineurs non accompagnés, des femmes
voyageant seules et des familles. Des actes de violence de la part de la
police française contre des détenus ont de nouveau été signalés.

Cependant, ces derniers jours, nous avons assisté à plusieurs reprises à
une procédure qui était avant une rareté, la réadmission de personnes
vers la France par la police italienne. Hier, dans une collaboration
entre la Guardia di Finanza, Polizia, et des unités civiles dirigées par
le chef de la police de Vintimille, trois personnes ont été arrêtées à
l’intérieur de la gare de Vintimille, emmenées à la frontière dans un
fourgon de police et amenées en France. Nous avons également vu la
police utiliser ce van pour conduire et envoyer en France une mère avec
trois enfants en bas âge. Ce ne sont que deux exemples de plusieurs cas
observés au cours des derniers jours. Il existe différentes possibilités
pour expliquer cette situation, mais nous ne savons pas laquelle est la
bonne donc nous ne pouvons donc pas donner d’informations plus précises
pour le moment.

Ce que nous sommes en mesure de dire, c’est que nous percevons la
situation actuelle comme extrêmement problématique, encore plus
qu’avant; que les autorités locales (par exemple le maire de Vintimille)
se voient accorder un pouvoir accru, en particulier par le biais des
réglementations spéciales à l’époque de Covid-19. Cette circonstance lui
permet de prendre des mesures restrictives dans les plus brefs délais,
et la situation devrait s’aggraver.